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NEUE BERUFE (Sept. 00)

Kreative Köpfe gesucht

In der IT-Branche warten tausende kreativer Jobs. Denn das Internet hat mehr mit Marketing, Kommunikation und Information zu tun als mit Technik. Ideale Voraussetzungen für neugierige Menschen mit Risikofreude.
Von Margrit Stucki

Christian Hirt, Web Merchant
Annette Bischof, Web Master
Peter Grupp, Online-Redaktor
Krisztina Faller, Multimedia-Designerin
Andy Gruenberg, Medien- und Kommunikationsmanager

Angefangen hatte alles 1980 im Disneyworld, mit einer Ausstellung zum Thema Telekommunikation: «Ein Element war dem Homeshopping gewidmet. Dort kam ich erstmals auf die Idee, von zuhause Waren und Dienstleistungen zu bestellen», erzählt Christian Hirt, heute erfolgreicher Unternehmer im E-Commerce.
Hirt gehört mit seinem frühen Einstieg in die IT-Welt und seinen 40 Jahren zu den «Dinos» im Web-Business. Vertreter der neuen Generation wie Netscape-Gründer Marc Andreessen, Yahoo-Erfinder David Filo / Jerry Jang oder Amazon-Gründer Jeff Bezos sind unverschämt jung und prominent. Und nebenbei Börsenmilliardäre.
Im Web-Business läufts heiss. Zwar ist der Schweizer Internet-Markt noch vergleichsweise klein. Doch sind auch hier in den letzten Jahren zahlreiche neue Jobs entstanden. Das Web hat den Computer während der 90er-Jahre in ein neues Medium verwandelt. Statt reine analytische Fähigkeiten braucht es heute auch kreative und kommunikative Köpfe.

Christian Hirt, Web-Merchant
Fragt man Christian Hirt nach seinem Beruf, muss er erst mal überlegen. Der Mann ist ein Multitalent. «Das Internet bietet als neuer Markt nie da gewesene Möglichkeiten; diese aufzuspüren, weiter zu verfolgen und zu realisieren - das macht meine Berufstätigkeit aus», fasst er zusammen. Der gelernte Gärtner, der die Matur nachholte, Pädagogik und Wirtschaftsinformatik studierte und danach in die Erwachsenenbildung einstieg, ist nicht zu stoppen.
Bereits in den frühen 80er Jahren befasste er sich mit Telekommunikation und Homeshopping, verständigte sich per E-Mail und beschaffte Informationen aus professionell geführten Datenbanken. Mit dem Aufkommen des Internets eignete er sich Kenntnisse im Web Publishing an. Zu Schulungszwecken entwickelte er Mikroportale mit Namen wie www.zeitung.ch, www.lexikon.ch oder www.telefonbuch.ch. Plötzlich fanden sich viele Besucher auf diesen Sites. «Dies brachte mich auf die Idee, das Ganze kommerziell zu nutzen», sagt der geschäftstüchtige Tausendsassa.
Hirt fragte sich, was die 5000 Visitors pro Tag auf seinen Sites kaufen würden — und machte aus dem Verkauf von Telefon-CDs und Werbeflächen ein lukratives Geschäft.
In seiner Firma «redia.ch» konzipiert Hirt neue Internetangebote und verhandelt mit Contentlieferanten, Logistikpartnern und Site-Vermarktern. Zudem unterrichtet er an einer Weiterbildungsschule und erforscht beim Mittelschul- und Berufsbildungsamt die Integration des Internets in Berufsalltag und Bildung. Ziemlich viel für eine einzige Person. Hirts Erklärung für seinen grossen beruflichen Einsatz: «Ich möchte an vorderster Stelle
mitmischen, wenn die Chancen neu verteilt werden.» zurück

Annette Bischof, Web Master
Bevor Annette Bischof 1998 als Web Master beim Beobachter einstieg, hatte sie ein Geografiestudium abgeschlossen, war Illustratorin, Filmkritikerin und selbständige Unternehmerin.
Aufs Internet stiess sie Mitte 1996: «Das Medium hat mich sofort gepackt. Es ist ein Fenster zu andern Welten. Und es bietet eine Kombination von verschiedensten Tätigkeiten.»
Als Web Master beim Beobachter ist Bischof an sämtlichen Fronten aktiv: «Alles, was den Internet-Auftritt und dessen Wartung betrifft, liegt in meiner Verantwortung. Ich bin das Bindeglied zwischen Technik und Redaktion, Ratgeber, Verlag.» Intern wie extern kommt sie deshalb täglich mit vielen Leuten in Kontakt. Die wichtigste Aufgabe, die Koordination, entspricht ihr ideal. Kürzlich konnte sie als Projektleiterin beim Relaunch auch ihre konzeptionellen Talente beweisen.
Die nötigen Kenntnisse holte sich Annette Bischof im «learning-by-doing»-Verfahren. Daneben bildete sie sich in verschiedenen Technologien und im Online-Journalismus weiter. Ihre Funktion, die sie selbst mit «eierlegende Wollmilchsau» beschreibt, verlangt maximale Flexibilität. «Mein Job ist sehr abwechslungsreich, hier kann ich meine Vielseitigkeit umsetzen.»
Doch die oft chaotischen und hektischen Zustände bringen die Powerfrau bisweilen an die Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit. Dann wünscht sie sich mehr Klarheit in der Aufgabendefinition.
Annette Bischof ist offen für alles, was kommt. Im Web-Bereich seien verlässliche Prognosen nicht möglich: «Vor einem Jahr hatte ich ein Qualigespräch mit dem Chefredaktor. Lehrbuchmässig formulierten wir Ziele, Massnahmen, Laufbahnplanung.
Heute lachen wir nur noch über diese naiven Vorsätze.» zurück

Peter Grupp, Online-Redaktor
Ein Technikfreak sei er nicht, betont Peter Grupp gleich zu Beginn: «Ich bin in den Job hineingerutscht, es war nicht Liebe auf den ersten Blick.» Der Geograf und Medienwissenschaftler wurde 1995 beim Bieler Tagblatt als Lokalredaktor angestellt. Als ihn der Chefredaktor auf das Online-Projekt ansprach, zögerte er nicht lange: «Mich reizte das Neue. Aber es war mir wichtig, weiter als Printjournalist zu arbeiten.»
Der Gedanke, nur noch Web-Seiten abzufüllen, missfiel ihm. Dennoch wandte Grupp die meiste Zeit für den Webauftritt auf. Vom befürchteten Text-Reinschaufeln war bald keine Rede mehr. Grupp gestaltete das Medium aktiv mit. Und das Netz fasziniert den Autodidakten nach wie vor: «Es treibt mich an, ständig hinzu zu lernen.»
Zunächst galt es bei der Schreibe umzudenken. Auf dem Bildschirm liest sich ein Text anders als auf Papier: «Der Leser muss auf den ersten Blick sehen, worum es geht und wie er schnell zu Infos kommt. Das heisst, die Texte müssen gut strukturiert, die Sätze kurz und klar sein.» Als Online-Redaktor muss Grupp aber auch wissen, wie die Inhalte visuell und technisch umgesetzt werden. «Ich muss mich intensiv mit Design und Programmierung beschäftigen.» Zudem sei er «Internet-Ratgeber» für KollegInnen und Leserschaft.
Kürzlich hat Grupp Arbeitgeber und Job gewechselt. Seit Juli fungiert er als Product Manager bei dplanet, dem Internetportal von diAx: «Beim Bieler Tagblatt konnte ich mich nicht mehr weiter entwickeln». Sein Metier werde bei den klassischen Medien zu wenig honoriert und gefördert. Aber: «Ich bleibe ein Contentspezialist und kann mir gut vorstellen,
eines Tages in den Online-Journalismus zurückzukehren.» zurück

Krisztina Faller, Multimedia-Designerin
Für Krisztina war schon früh klar, dass sie einen gestalterischen Beruf ergreifen wird:«Ich konnte schon als Kind gut zeichnen». Als sie das Grafikerhandwerk erlernte, spielten Computer noch keine grosse Rolle.
Das Internet entdeckte sie viel später, als sie für eine Arbeit Online-Recherchen anstellte. «Das Web war in aller Munde», blickt sie zurück.
Ihre Neugier war geweckt — sie besuchte Grundkurse in Web Publishing und Multimedia und stellte fest, dass das neue Medium optimal zu ihr passte. Nach einer zweijährigen Ausbildung zur Multimedia-Designerin bezog sie mit anderen Fachleuten ein Atelier und benannte ihre 1987 gegründete Firma auf «artimedia.ch» um. Heute umfassen ihre Aufträge neben dem Entwickeln von Logos, Briefschaften und Broschüren vor allem Internet-Auftritte und Bildschirmschoner.
An ihrem Metier fasziniere sie besonders die dritte Dimension, die Interaktivität. Manchmal träumt sie davon, ihre Sachen zu packen und auf einer Insel zu arbeiten. Von der Technik her kein Problem. Aber: «unsere Sozialisation steht solchen Plänen im Wege, wir brauchen den direkten physischen Kontakt zu unseren Kunden.»
Krisztina Faller arbeitet mit einer Projektmanagerin zusammen, die ihr Aufgaben wie Kundenkontakt und Marketing abnehmen kann. «Ich habe Mühe, mich und mein Angebot zu verkaufen», gesteht sie, «ich bin Gestalterin, nicht Verkaufsfachfrau.»
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Andy Gruenberg, Medien- und Kommunikationsmanager
Wer den Prototypen eines modernen Berufsmenschen sucht, ist bei Andy Gruenberg an der richtigen Stelle: «Ich führe ein Länder übergreifendes Dasein und nutze dazu die neusten Technologien», bringt es der Sinologe auf den Punkt. Gruenberg ist viel unterwegs, sei es online oder real, in der Schweiz oder in Ostasien.
Schon 1991, während des Studiums in Sinologie, BWL und Informatik, machte er sich mit dem Internet vertraut: «das Netz war damals auf akademische Disziplinen beschränkt, zum Austausch unter Instituten und Seminaren.»
Die Agentur «sino team», die Gruenberg 1992 mit seiner Partnerin gründete, produziert Werbemittel für den asiatischen Raum. Und macht damit Geschäfte in zwei Boombranchen — im Handel mit Asien und in der virtuellen Kommunikation. Der Einsatz neuer Technologien sei überlebenswichtig: «Als kleines Unternehmen können wir nur dank des Internets existieren. Wir haben schon früh auf digitale Produkte gesetzt.»
Dem kontaktfreudigen Unternehmer gefallen vor allem die Kundenpflege und das Planen einzelner Projekte. Seine Arbeit werde aber oft durch Klischees über «die Asiaten» erschwert. Hier gebe es noch viel Aufklärung zu leisten. Als Beispiel nennt Gruenberg die chinesische Schrift. «Die Zeichen werden vielfach für Kunst oder Design gehalten, sind aber normale Alltags-Schrift», konstatiert der Chinakenner.
Das Tätigkeitsfeld von Andy Gruenberg verändert sich schnell und dramatisch. Um am Ball zu bleiben, bildet er sich ständig weiter. «Zurückschrauben im Beruf ist für mich keine Perspektive. Mein Ziel ist es, möglichst viel Geld zu verdienen», verrät er augenzwinkernd.