Aus: «MARKETING & KOMMUNIKATION» (Ausgabe Januar 2001)

Online texten – Gesetze eines neuen Mediums

Immer grössere Datenmengen können immer schneller übermittelt werden. Millionen von Menschen können jederzeit an (fast) jedem Ort der Welt auf Informationen zugreifen. Der Anspruch an Aktualität und Verfügbarkeit der Massenmedien ist durch das Internet in eine neue Dimension vorgedrungen.

Von Susann Birrer

Neue Medien eröffnen nicht nur neue Möglichkeiten, sie definieren auch eigene Gesetze. Für PR-Branche und Journalismus stellt insbesondere das Massenmedium Internet eine grosse Herausforderung aber auch ein enormes Potential dar. Die für Printmedien geltenden Grundsätze bezüglich Informationsaufbau, Textstrukturierung und Gestaltung müssen dem User-Verhalten angepasst werden.

Angebot zur rechten Zeit
Die Zürcher PR-Gesellschaft (ZPRG) bot ihren Mitgliedern mit dem Tagesseminar «Online texten/Schreiben für neue Medien» einen realen, praxisbezogenen Einstieg in die virtuelle Welt des riesigen, weltweiten Infowebs. Praktische Tipps für die lesergerechte Aufbereitung von Online-Inhalten eben: Damit Leserinnen und Leser oder vielmehr Surferinnen und Surfen erreicht werden, sich nicht im Netz verstricken oder sich, was noch schlimmer ist, abseilen oder davonsurfen. Das ZPRG-Angebot entsprach offenbar einem grossen Bedürfnis: Das Seminar war innert kürzester Zeit ausgebucht, die Nachfrage ist noch keineswegs gestillt.
Seminar "Online texten"

Als Seminarleiterin konnte Margrit Stucki, www.webwriting.ch, gewonnen werden. Die Sprach- und Medienwissenschaftlerin ist als Journalistin sowie als Dozentin am Medienausbildungszentrum (MAZ) Luzern und an der Kantonalen Berufsschule für Erwachsenenbildung Zürich tätig.

Online texten als Gratwanderung
Ziel des Tageseminars war es, die Teilnehmenden für die Gesetzmässigkeiten des Mediums Internet zu sensibilisieren und Ihnen die wichtigsten Grundregeln für Web-Texte zu vermitteln und zu erläutern. Denn was nützt es nur zu wissen, dass Online-Medien nach kurz gefassten Texten verlangen. Es gilt vielmehr, das dem Medium Internet immanente Potential zu nutzen. Margrit Stucki formuliert diesen Umstand so: «Onlinegerechte Textgestaltung gleicht einer Gratwanderung zwischen abgehacktem Stakkato-Stil und endloser Bleiwüste.» Für sie liegt die Lösung des Problems im Medium selbst, denn «eine sinnvolle Verlinkung und Themensplitting sind Merkmale einer gut gemachten Site».

Nebst eingehender Behandlung und praktischen Übungen zu Textelementen und Schreibstil wurden onlinegerechte Typografie und Layout vorgestellt. An dieser Stelle präsentierte die Kursleiterin Highlights aus dem Web. Darunter auch die Websites der Nestlé AG www.nestle.com und der altbekannten, aber virtuell topaktuellen Nivea www.nivea.de. Schade, dass ausgerechnet die Macher der für die Demonstration der falschen Schriftwahl vorgesehenen Site den Makel erkannt und beseitigt hatten. Dafür bestätigt sich einmal mehr, dass eine Website zwar gut konzipiert und sorgfältig realisiert werden muss, aber immer ein Work-in-progress bleibt, das noch verbessert werden kann.

Ungenutztes Potential
Als Rosinen dürfen die Tipps und Tricks für einen virtuosen Umgang mit Links und Navigationshilfen – den Brücken, die durch den Text führen – und der, leider etwas knappe, Exkurs ins Webmarketing bezeichnet werden. Nur ein kleiner Test: Wissen Sie wozu Meta-Tags taugen? Wenn nicht und wenn Sie sich wundern, warum niemand auf Ihrer kunstvoll und raffiniert gestalteten Website Halt macht, dann sind Sie ein Fall fürs Online-Seminar. Denn nicht wenige Teilnehmende hatten gegen Schluss des Seminars ihr ganz persönliches Aha-Erlebnis. Die Reaktionen reichten von «wertvolle Unterlagen zum praktischen Arbeiten» bis zu «jetzt schaue ich unsere Website an und werde sie 'duresträhle' anhand der Hinweise». Vermutlich liessen sich aber alle durch das Seminar anregen, sich intensiver mit Internet-Kommunikation, Webmarketing oder auch E-Commerce zu beschäftigen, denn: « Es reisst Themen an, die man dann vertiefen möchte».

Das war ja auch das Ziel, das Internet als Teil des Medienmix zu erfassen und dessen Möglichkeiten auszuloten. Und als Wichtigstes, zu erkennen, das Medium selbst und die User vorgeben, wie Kommunikation und Vermittlung von Information zu gestalten sind. Auch gilt es, sich stets bewusst zu sein, dass das Internet die anderen Medien nicht verdrängt – es ist vielmehr eine Ergänzung, ein neues Medium auf dem Weg, sich von den traditionellen Medien zu emanzipieren, seine individuellen Stärken zu finden und zu entwickeln. Also bleiben Sie dran.