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BÜRO-ALLTAG

Gelegenheit macht Liebe

Wer beruflich am gleichen Strick zieht, kommt sich oft auch privat näher. Manche Ehe hat sich am Arbeitsplatz angebahnt. Dabei ist das Vorurteil, dass sich Balz und Business nicht miteinander vertragen, oft falsch. Von Margrit Stucki

Funkzentrale Arbeitsplatz
Management by Love
Spiel mit dem Feuer

«Manche Büroliebe hört von selbst auf, indem man sie heiratet», witzelt der Thübinger Populärpsychologe Otto Buchegger auf seiner Homepage.

Nicht nur Flausen im Kopf
Mit solchen Aussagen können Karl und Liselotte Hauser wenig anfangen. Die beiden lernten sich vor 33 Jahren beim gemeinsamen Arbeitgeber, dem SKV, kennen und lieben. Damals wechselte die kaufmännische Angestellte Liselotte Furrer in die Abteilung, in der ihr heutiger Ehemann als Chefbuchhalter amtete. «Ich habe offensichtlich einen rechtschaffenen Eindruck auf sie gemacht», schmunzelt Karl Hauser. Er betont, dass sie sich nicht in einer «überhitzten, spontanen Aktion», sondern dank guter Gespräche, dem christlichen Glauben und dem gemeinsamen Flair für Zahlen näher gekommen seien: «Ich war damals 35, sie 29 – in diesem Alter hat man nicht nur Flausen im Kopf.»
Trotz aller Seriosität verschwiegen Hausers zunächst ihre Liaison: «Ein halbes Jahr lang siezten wir uns, obwohl es schon lange prickelte.» Mit der Heirat beendeten sie das Versteckspiel. Auf ihre beruflich-private Verbandelung habe es nie schlechte Reaktionen gegeben. Fast 30 Jahre war Karl Hauser für den SKV tätig, 14 Jahre davon gleichzeitig mit seiner Ehefrau. «Ich genoss den gemeinsamen Arbeitsweg und freute mich aufs
Arbeiten», erinnert er sich an jene Zeit. zurück

Funkzentrale Arbeitsplatz
Der Arbeitsplatz ist ein Beziehungs- und Heiratsmarkt erster Güte. Rund ein Drittel aller Liebesbeziehungen bahnt sich zwischen Kaffeeautomat und Kopierer an. Auch wenn sie selten auf der beruflichen Wunschliste steht: Liebe im Büro lässt sich ebensowenig bekämpfen wie schlechtes Wetter.
Wo, wenn nicht am Sitzungstisch, vor dem Computer oder an einer Kadertagung sollen die gestressten Berufstätigen denn ihre Partner/in finden? Der Job bietet nicht nur Gesprächsstoff, sondern auch die Gelegenheit, das Objekt der Begierde ausführlich zu beobachten. Und oft entpuppt sich jemand im Beruf als interessanter und anziehender als im Privatleben.
Studien belegen zudem, dass Verliebte besonders engagiert und energiegeladen am Arbeitsplatz agieren. Wer verliebt ist, zeigt mehr Leistungsbereitschaft – nicht zuletzt um dem anderen zu imponieren. Auch Muriel S.*, kaufmännische Angestellte in einer Versandfirma, gesteht, dass sie die Liebe beflügelt. Seit fünf Jahren ist sie mit einem Arbeitskollegen liiert. Die «offene, lustige Art» ihres Freundes und der gemeinsame Erfahrungshintergrund spornten sie bei der Arbeit an. Zudem könne sie sich bei ihm «ausweinen», wenn sie interne Probleme habe, und die heimliche Romanze verleihe Firmenfesten einen besonderen Reiz.
Erotische Spannungen sind aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. «Gute Teams haben oft eine erotische Komponente», weiss die Psychologin Nina Kirsch. «Büroliebe beeinflusst die Produktivität: Verliebte gehen früher zur Arbeit und später heim. Kreativität und Spass an der Arbeit nehmen zu.» zurück

Management by Love
Wer wollte etwas gegen derart motivierte Mitarbeiter/innen ins Feld führen? Offiziell geben sich die meisten Unternehmen denn auch liberal und tolerant. Die lockere Haltung hat handfeste wirtschaftliche Gründe: Aufgeschlossen muss sich präsentieren, wer im Kampf um Marktanteile vorne liegen und gute Leute halten will.
In etlichen Chefetagen sind romantische Gefühle dennoch nicht gern gesehen. Denn die Ansprüche der Direktion beinhalten oft das Gegenteil dessen, was Verliebtheit auslösen kann. Fatal, was bei einer «Revolution zu zweit» alles passieren kann: Geschäftsgeheimnisse werden unter der Bettdecke ausgeplaudert, verhängnisvolle Affären mit Untergebenen eingegangen und Teams mit Neid auf die Jungverliebten verseucht.
Doch allen Urängsten zum Trotz: Ob sich zwei im Betrieb finden, darauf haben die Führungskräfte keinen Einfluss. Geflirtet, gelitten und getrennt wird auch ohne den Segen der Geschäftsleitung.
«Das Management steht emotionellen Angelegenheiten meist hilflos gegenüber», konstatiert Karin Ammann, Leiterin der Gleichstellungsabteilung am KV Zürich. Sie wünscht sich mehr Bereitschaft, auch bei Problemen Hilfe zu bieten: «Positive Aspekte von Firmenbeziehungen werden dankbar entgegen genommen. Im Konfliktfall lässt man die Betroffenen aber oft im Stich.» zurück

Spiel mit dem Feuer
Das Risiko, sich mit intimen Begegnungen am Arbeitsplatz Probleme einzuhandeln, ist beträchtlich. Ein verliebtes Paar bringt die Gruppenstruktur durcheinander, Verunsicherung, Getuschel und Spannungen sind häufige Folgen.
Wenn sich zwei gleichrangige Angestellte mit eigenständigen Aufgaben zusammen tun, mag das problemlos funktionieren. Schwierig wird es, wenn ein Teil – meistens die Frau – dem anderen hierarchisch unterstellt ist.
Darunter litt die Direktionssekretärin Renate L.*, die sich auf ein «geheimes Verhältnis» mit ihrem verheirateten Chef einliess. Während er beruflich und im Militär Karriere machte, übernahm sie seine Vertretung im Geschäft sowie Zusatzaufgaben, die von der Militärkorrespondenz bis zum Babysitting seiner Söhne reichten. «Seine Frau war stolz Offiziersgattin zu sein und ich erledigte den Kleinkram – natürlich freiwillig und in unbezahlter Überzeit», erzählt sie. Da aus der geschäftlichen eine erotische Beziehung entstanden war, fühlte sich Renate L. zunehmend als Gefangene: «Nach etlichen Jahren war ich meinem Chef total hörig.» Als sie sich von ihm lösen wollte, «begab er sich in die psychologische Kriegführung und setzte alle Mittel gegen mich ein: Verleumdung, Mobbing, Hetze.» Renate L. wurde nach 23 Jahren Firmentreue entlassen. Nervlich am Ende, liess sie den Rechtsweg ausser Acht. Ihr Fazit: Sie rate jeder Frau eindringlich davon ab, ihre Gefühle im Büro auszuleben. «Die Frau zieht immer den Kürzeren.»

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